An unserer Schule ist Psychologie ein Unterrichtsfach aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld in der Oberstufe. Psychologie unterliegt daher den gleichen Belegbedingungen wie z.B. Erdkunde und Pädagogik etc. Es wird im Grundkurs und im Leistungskursbereich angeboten und kann daher auch mit ins Abitur (als 3. oder 4. Abiturfach) genommen werden.

Psychologie ist eine Wissenschaft, nämlich die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen. Allerdings eine Wissenschaft, von der wir unmittelbar betroffen sind, denn wir selbst sind Gegenstand dieser Wissenschaft.

Psychologie ist nicht ...

  • Seelenspionage, Gläser rücken, Psycho von Hitchcock, der Kummerkasten für alle ... 
  • dunkel, bedrohlich, geheimnisvoll, allmächtig...

Was sind typische Fragestellungen der Psychologie ?

Beobachten und beschreiben

  • Was und wie fühlen, träumen, denken, lernen, hassen Menschen? 
  • Was läuft im Körper und in den Gedanken ab, wenn man Angst hat? 
  • Welchen Einfluss können andere Personen auf uns haben? 
  • Was sind mögliche Merkmale einer psychischen Störung? 
  • In welchen Situationen zeigen wir die Bereitschaft, anderen zu helfen?
  • In welchen nicht? 

 Erklären und verstehen

  • Welche Theorien und Modelle gibt es, um psychische Phänomene zu erklären? 
  • Wie entsteht Aggression? Ist sie angeboren oder erlernt? 
  • Welche Funktion haben Träume? 
  • Wie entsteht ein negatives Kurs-, Gruppen-, Betriebsklima? 
  • Was ist die menschliche Persönlichkeit und wodurch wird sie beeinflusst? 

Vorhersagen und verändern

  • Wie lassen sich psychische Vorgänge beeinflussen? (Anwendung, Prävention, Intervention) 
  • Welche Möglichkeiten gibt es, um Lern- und Gedächtnisleistungen zu verbessern? 
  • Wie kann man mit Stress gut umgehen? 
  • Was sollte man bei der Auswertung von Zeugenaussagen beachten? 

3. Was ist typisch für den Unterricht im Fach Psychologie?

Erfahrungsorientierung

Die soeben beschriebene Abfolge (Beobachtung/Beschreibung- theoretische Erklärung, Anwendung) lässt sich auch direkt auf den Unterricht übertragen. Hierbei kommt uns zugute, dass es möglich ist, zahlreiche psychische Phänomene unmittelbar erfahrbar und beobachtbar zu machen. In unserem nächsten Schritt geht es nun darum, die alltagssprachlichen Beschreibungen zu einem wissenschaftlichen Erklärungsmodell in Beziehung zu setzen (hier: dem gestaltpsychologischen Modell zur Erklärung von Wahrnehmungsvorgängen): die Einteilung in Vorder- und Hintergrund, also in das, was man als bedeutsam, bzw. nebensächlich ansieht, ist z.B. ein möglicher Beleg dafür, dass wir nicht einfach sehen, “was da ist”. Im nächsten Schritt geht es dann darum, den Erklärungsansatz auf Alltagsphänomene zu übertragen. (z.B. Warum sehe ich oft den Wald vor lauter Bäumen nicht? Warum erkenne ich bei Gedichtinterpretationen oft die zentralen Symbole nicht?) 

Warnung

Der Psychologieunterricht knüpft zwar an der Erfahrungswelt der Schülerinnen an, er ist jedoch keine “Therapie”!
Die Erfahrungsorientierung bezieht sich auf allgemeine Phänomene und Gesetze. Da es sich um Unterricht handelt, kann es nicht darum gehen, die Psyche einzelner Schülerinnen und Schüler zu durchleuchten. Die Privatsphäre bleibt immer gewahrt. Wenn also z. B. mögliche Funktionen von Träumen thematisiert werden, ist nicht der konkrete Traum eines Kursmitglieds Gegenstand der Analyse, sondern ein fremdes Beispiel. Was die Schülerinnen aus ihrer Erfahrung beisteuern können, sind allgemeine Phänomene, z.B. "Träume ich schwarz-weiß oder bunt? Kann ich mich an alle Träume erinnern?" usw.

Vielfalt der Erklärungsmodelle

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts haben sich in der Psychologie unterschiedliche Hauptströmungen entwickelt. Wie auch in anderen Wissenschaften gibt es daher unterschiedliche Vorstellungendarüber, wie man forschen soll, bzw. was im Zentrum der Forschung stehe sollte. Im Psychologieunterricht sollen die Schülerinnen daher lernen, unterschiedliche psychologische Sichtweisen zu nutzen, wobei dann auch Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Betrachtungsweisen deutlich werden. Dies kann auch dabei helfen, so manches, was in Zeitschriften und Fernsehsendungen unter Psychologie läuft, kritisch einzuordnen, z.B. sogenannte Psycho-Tests oder “psychologische” Kummerkästen und Ratgeberecken. 

Z.B. die Sichtweise der Tiefenpsychologie

In der Tiefenpsychologie spielt das so genannte Unbewusste eine zentrale Rolle. 

Das so genannte ES wird von Trieben gesteuert und folgt dem Lustprinzip. Das ÜBER-ICH verkörpert sozusagen das Gewissen, die Moral. Das arme ICH hat nun u.a. die Aufgabe mit diesen oft widersprüchlichen Anforderungen fertig zu werden. Im Traum drängen nach der Auffassung von Freud dann die Wünsche aus den Tiefen des Unbewussten nach oben, mehr oder weniger gut verschlüsselt, zum Ärger des ÜBER-ICHs. Wie gut, dass wir uns so oft nicht an unsere Träume erinnern. Oder sollte es sich dabei um den “Rotstift” des ÜBER-ICHs handeln?

Z.B. die Sichtweise des Behaviorismus/der Verhaltenspsychologie:  

Der Behaviorismus beschränkt sich im Gegensatz zur Tiefenpsychologie auf das, was man direkt beobachten kann, also allein auf das äußerlich sichtbare Verhalten. Unser Verhalten wird nach dieser Auffassung von der Umwelt bestimmt. Wir sind das, was wir lernen, und wir lernen z.B. aus den Folgen unseres Verhaltens. Wenn Ihr Hund z.B. Leckerli bekommt, wenn er tatsächlich einmal Männchen macht, wird er in Zukunft häufiger Männchen machen. Vielleicht nicht immer, aber immer öfter. Durch Verhaltensausformung (shaping)kann man dies ändern 

Z.B. die Sichtweise des Kognitivismus: 

Im Gegensatz zum Behaviorismus betont der Kognitivismus die inneren Vorgänge und Strukturen, die unser Verhalten und Erleben bestimmen, z.B. Denkprozesse, Gedächtnisleistungen und die Art, wie wir Informationen verarbeiten, bzw. die Art, wie wir Dinge bewerten. Mit letzterer scheint Charlie Brown ein Problem zu haben....

Z.B. die Sichtweise der Psychobiologie: 

Die Psychobiologie betont unser biologisches Erbe. Hierbei spielt z.B. die Vererbung eine Rolle, sowie das, was wir aus dem Verlauf der Entwicklung der menschlichen Gattung mitgebracht haben. Das Beispiel links zeigt, dass bei Drohgebärden der Gesichtsausdruck, die Mimik, beim Menschen und bei bestimmten Affen ähnlich ist. Solche Verhaltensweisen, die wir aus unserer langen Entwicklungsgeschichte mitbringen, können u.U. dazu beitragen, das Verhalten des heutigen Menschen besser zu verstehen. Hier werden insbesondere Dinge in den Blick genommen, die unseren Vorfahren geholfen haben, als Einzelwesen oder als Gattung zu überleben. Beobachten Sie einmal, wie man im Bus seinen Platz, sein “Territorium”, markiert und sichert 

Z.B. die Sichtweise der Humanistischen Psychologie/ Ganzheitspsychologie

Die Humanistische Psychologie stellt hingegen, das, was den Menschen vom Tier unterscheidet, das typisch Menschliche, in den Mittelpunkt. So geht es z.B. um Kreativität und Selbstverwirklichung. Der Mensch wird als freies und selbstbestimmtes Wesen gesehen. Die Vorgehensweise ist hierbei ganzheitlich. Dieser Ansatz wurde schon in der ersten Abbildung (die Buchstabenfolge ITA) kurz angesprochen. Wenn wir nur Einzelaspekte betrachtet, z.B. die schwarzen Flecken, entgeht uns eine mögliche andere Bedeutung: “Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile”.  

Eine Warnung

Wenn man sich die verschiedenen Sichtweisen aneignen möchte, muss man sich auf einen disziplinierten Umgang mit Fachbegriffen und einstellen. “Nett über etwas reden” reicht nicht aus.

Themenbereiche des Unterrichts – die psychologischen Disziplinen 

Im Unterricht werden die Hauptströmungen der Psychologie natürlich nicht als Selbstzweck erarbeitet; die unterschiedlichen Sichtweisen können vielmehr genutzt werden, um zentrale Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Aus den folgenden Themenbereichen können wir hierbei eine Auswahl treffen: 

  • Allgemeine Psychologie: Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Lernen, Intelligenz, Motivation, Emotion, Angst, Aggression, ... 
  • Sozialpsychologie: Einstellung, Vorurteil, Gruppenbildung und -strukturen, Konflikte, Kommunikation, Selbstbild, Fremdbild ... 
  • Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologie: Merkmale und Aufbau der Persönlichkeit, Entwicklungsprozesse, Messung der Persönlichkeit (Testpsychologie)...
  • Psychologische Anwendungsbereiche: Die Anwendung psychologischer Kenntnisse auf unterschiedliche Lebensbereiche nimmt innerhalb der Forschung, aber auch innerhalb des Unterrichts einen breiten Raum ein. Die Vielfalt dieser Anwendungsbereiche sagt auch etwas über die zunehmende Bedeutung psychologischer Kenntnisse in Beruf und Freizeit aus. Nachfolgend einige Beispiele: 
    • Klinische Psychologie und Beratung (Beratungsformen und -techniken, psychische Störungen, Therapieformen ...) 
    • Rechtspsychologie (Schuldfähigkeit und Zurechnungsfähigkeit ...)
    • Kriminologie/Polizeipsychologie (Täterprofilerstellung, Befragung von Zeugen, Opfern, Tätern, Umgang mit gewaltbereiten Einzelpersonen /Massen ...)
    • Arbeits- und Betriebspsychologie (Einstellungsverfahren, Personal- und Organisationsentwicklung, Berufswahlprozesse; Mobbing ...) 
    • Gesundheitspsychologie (Psyche und Medizin, Umgang mit Stress, Ernährungsverhalten ...) 
    • Pädagogische Psychologie (Lernorganisation und Lerntechniken, Lernprozesse gestalten, Erforschung von Einflussfaktoren ...) 
    • Kultur-, Freizeit-, Sport-, Kunst-, Literatur-, Medien-, Markt-, Werbepsychologie .... 

Vielfalt der Methoden und Arbeitsformen 

In der Schule gehört das Fach Psychologie eindeutig zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld. An den Universitäten und in der Forschung ist dies nicht so. Hier wird die Psychologie je nachdem den Naturwissenschaften, den Geisteswissenschaften oder den Sozialwissenschaften zugeordnet. Diese Vielfalt schlägt sich auch in den Methoden des Faches nieder: So gibt es Verfahren, die z.B. an einzelnen psychischen Phänomenen ansetzen und diese ganzheitlich (s.o.) betrachten, Selbstbeobachtung und andere Verfahren, die vom Einzelfall ausgehen. Auch das, was nicht direkt beobachtet werden kann, ist Gegenstand der Wissenschaft. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Erforschung des Unbewussten.  

Daneben gibt es den Naturwissenschaften verpflichtete Verfahren, wie systematische direkte Beobachtung und Experiment unter genau kontrollierten Bedingungen. So lässt sich z.B. die Auswirkung einer Geräuschkulisse (z.B. Musik im Radio) auf die Gedächtnisleistung relativ genau messen. Links die Abbildung zeigt z.B. eine Versuchsanordnung bei der es um das Lernverhalten von Ratten geht. Auch bei der Persönlichkeitsmessung (Tests) bemüht man sich z.B. durch die Nutzung mathematischer Verfahren darum, die Exaktheit der Messung zu verbessern. Diese Methodenvielfalt hat auch Einfluss auf den Psychologieunterricht. Wir arbeiten natürlich mit Texten, aber auch mit Fallstudien, mit Erlebnisepisoden (s.o. Abb. S.1, Buchstabenfolge ITA), sowie mit Experimenten und psychologischen Tests, die wir teilweise auch selbst durchführen und auswerten. 

Eine Warnung

Wem sich bei der Vorstellung, dass man ab und an einen Mittelwert ausrechnen muss, oder dass man ein statistische Auswertung oder ein Diagramm lesen soll, die Nackenhaare hochstellen, der sollte sich gut überlegen, ob Psychologie das Richtige ist. Andererseits muss man auch kein mathematisches Genie sein; man sollte lediglich bereit sein, mathematische Erkenntnisse anzuwenden. 

Eigenverantwortliches Arbeiten und Selbsttätigkeit 

Auch für die Gestaltung des Psychologieunterrichts sind die Erkenntnisse der Wissenschaft Psychologie hilfreich. So wurde z.B. die Bedeutung der Selbsttätigkeit für das Lernen eingehend erforscht: Je intensiver man sich selbst mit einer Sache (einem Problem, einer Theorie) auseinandersetzt, desto besser behält man das Wesentliche, desto tiefer ist das Verständnis und desto einfacher ist es, das Gelernte auf neue Situationen zu übertragen. Je mehr man selbst tut, je mehr man auch handelnd mit einer Sache umgeht - im Gegensatz zum passiven Aufnehmen - desto größer ist der Lernerfolg. Ein typisches Beispiel ist das Erlernen einer modernen Fremdsprache: Wenn ich nicht immer wieder selbst spreche, lerne ich auf Dauer nur wenig.

Bezogen auf das Fach Psychologie bedeutet dies, dass sich die Schülerinnen zunehmend Techniken und Fertigkeiten aneignen sollen, die der selbständigen Erarbeitung des Stoffes dienen. Dies bezieht sich z.B. auf die Beschaffung von Materialien, die Aufarbeitung und die Präsentation von Einzel- oder Gruppenergebnissen etc. Man kann z.B. Texte oder Zeitschriften/Bücher zu einem bestimmten Thema durchsehen, man kann schriftliche Ausarbeitungen, Collagen oder Rollenspiele erarbeiten, man kann Experimente, Untersuchungen, Befra­gungen vorbereiten und/oder auswerten, usw. Auch hier sollten Sie sich überlegen, ob Ihnen diese Art zu arbeiten, Spaß macht. Angesichts der Tatsache, dass man eine vernünftige Entscheidung nur treffen kann, wenn man über eine gute Informationsgrundlage verfügt, hoffe ich, dass Sie nun einen guten Eindruck von dem, was Psychologieunterricht ist, bekommen haben.